"Woher kommst du wirklich?"
Wie oft hast du die Frage "Woher kommst du wirklich?" schon gehört oder selbst gestellt? Die Frage wird oft leichtfertig gestellt, als wäre sie ein einfacher Eisbrecher. In einer Gesellschaft, in der selbst unter besten Freunden nicht nach dem Gehalt gefragt wird, scheint es erstaunlich, dass die Frage nach der "Herkunft" als so banal angesehen wird.
Sie ist weit mehr als eine neugierige oder beiläufige Frage. Sie öffnet eine Tür zu einem Labyrinth aus emotionalen Erfahrungen, impliziten Annahmen und tief verankerten Stereotypen. Dahinter können sich komplexe und intime Lebensgeschichten verbergen, die ebenso Traumas, Schmerzen, Ängste und Sorgen enthalten können.
Im Podcast "Woher kommst du wirklich" werden genau die Menschen zu Wort kommen, denen diese Frage regelmäßig gestellt wird – sei es wegen ihres Aussehens oder ihres "anders" klingenden Namens.
Doch entgegen dem, was der Titel vermuten lässt, geht es in diesem Podcast nicht um die Herkunft meiner Gäste.
Stattdessen sprechen wir über das, was wirklich zählt: die einzigartigen, komplexen und emotionalen Geschichten der Menschen.
Ich folge in meinem Podcast keinem Skript, und es gibt keine vordefinierten Fragen. Mein Gast und ich öffnen unsere Herzen und Emotionen und gehen auf eine Entdeckungsreise durch unsere Vergangenheit und Erfahrungen.
"Woher kommst du wirklich?"
Episode 13: ‚Woher kommst du wirklich?‘: Neugier oder der Versuch, Menschen in Schubladen zu stecken? // mit Prof. Dr. Derya Gür-Şeker
Derya hatte gerade ihre Kinder in der Kita abgegeben und stand mit anderen Eltern vor der Einrichtung. Während sie sich mit einer anderen Mutter unterhielt, kam eine ältere Frau vorbei, mischte sich in das Gespräch ein und fragte Derya: „Woher kommst du?“ Als Derya antwortete, dass sie aus Bonn kommt, wo sie derzeit mit ihrer Familie lebt, und ursprünglich aus Duisburg stammt, bohrte die Frau weiter und wollte wissen, „woher sie wirklich kommt“. Die Situation eskalierte, als die Frau stereotype und bisweilen rassistische Beleidigungen äußerte, nachdem sie erfuhr, dass Deryas Eltern aus der Türkei stammen.
In der neuesten Episode teilt Derya diese prägende Erfahrung, die sie vor drei Jahren gemacht hat, und die den Ausgangspunkt unseres Gesprächs bildet.
Derya reflektiert, wie sie lange an den Nachwirkungen dieser Begegnung arbeiten musste, obwohl sie als Wissenschaftlerin, die sich intensiv mit rechter Rhetorik auseinandersetzt, theoretisch gut über Alltagsrassismus Bescheid weiß.
Es geht wie immer um Identität, Zugehörigkeit, die Herkunft unserer Eltern, die Zukunft unserer Kinder und um Fragen wie unter anderem:
- Was sagen wir als zweite Generation unseren Kindern, also der dritten Generation, über ihre Identität? Sagen wir, „wir sind Deutsche“?
- Wie fühlt es sich an, wenn man als Deutsche mit Migrationsgeschichte im Ausland als deutsch wahrgenommen wird, aber nicht im eigenen Geburtsland Deutschland?
- Wie gehen wir damit um, wenn fremde Menschen uns aufgrund unseres türkischen Namens und unserer Herkunft als Vertreter der Erdoğan-Politik abstempeln und immer einen Bezug zu Erdoğan herstellen?
- Wie können wir unsere Kinder vor Rassismus schützen oder sie darauf vorbereiten? Wie können wir den Rassismus bekämpfen, sodass Kinder nicht darauf vorbereitet werden müssen, als wäre es ihr Problem, sondern das Problem der Gesellschaft?
- Wenn Identität durch Zugehörigkeit entsteht, wer entscheidet dann über die Zugehörigkeit zu Deutschland und somit über eine deutsche Identität?
- Woran liegt es, dass Türkisch für uns beide die emotionale Sprache ist, obwohl wir besser Deutsch sprechen?
Wir sprachen auch über Deryas Vater, der mit 16 Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland kam, um im Bergbau zu arbeiten und eine Ausbildung zu machen. Wie er sich hocharbeitete und ein Vorbild für Derya wurde. Zudem betrachteten wir Deryas unglaubliche Karriere: Als Bergarbeitertochter musste sie zunächst auf die Hauptschule gehen, schaffte es aber dennoch, das Abitur zu machen, zu studieren, zu promovieren und Professorin zu werden.
Infos über Derya:
Derya Gür-Şeker ist Expertin für digitale Kommunikation, Diskurs- und Medienforscherin. Ihre Expertise liegt in den Bereichen Social Media, Kommunikation und Künstliche Intelligenz. Studiert hat sie Germanistik, Medien- und Politikwissenschaft in Düsseldorf und in Reading (UK). Als Professorin forscht und lehrt sie aktuell an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.
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Musik & Postproduktion:
Joscha Grunewald